Alle Züge starten in Moskau. Eine Linie führt auf verschiedenen Wegen nach Ost-Sibirien. Die andere nach Peking. Sie verläuft entweder als trans-mandschurische oder trans-mongolische Bahn. Letztere ist die interessanteste. Sie führt am Baikalsee entlang, dann durch die mongolische Steppe via Ulan-Bataar nach Peking. |
Ende Oktober bietet Sibilien alles auf einmal: Sonne & Pelzmützen, verschneite Birkenwälder & T-Shirts. Für Abwechslung beim Blick aus dem Fenster und beim Aufenthalt am Bahnsteig ist also gesorgt. Ausserdem ist Nachsaison und die Züge sind fast frei von Touristen. |
Die Strecken und Zeiten ändern sich seit Jahrzehnten kaum. Buchen sollte man weit im Voraus über ein Spezialreisebüro. (www.lernidee.de; www.vostok.de). Dort werden Fahrkarten und Visa bequem organisiert. Bei Detailfragen zeigt sich aber, dass die Mitarbeiter häufig keine eigene Erfahrung mit der Transsib haben - und dementsprechend nur begrenzt Ahnung. |
Im chinesischen Zug (Nr.4 / Abfahrt Moskau 22:03) ist es sauber und es gibt Duschen für jeweils 2 Ersteklasse-Abteile. Die Betten liegen übereinander und das ständige Rumpeln garantiert schon nach kurzer Zeit einen satten Schlaf. Dafür beschränkt sich die Unterhaltung mit den chinesischen Staats-Schaffnern auf Zeichensprache. Sie sind sowieso fast die ganze Zeit mit Kochen (für ihr eigenes Essen) beschäftigt.
Zum Glück fährt in allen Zügen auf russischem Gebiet ein echter russischer Speisewagen mit.
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Das bedeutet Bortschtsch und falsche Kaviar-Brötchen zum Frühstück. Tee aus güldenen Tässchen, Wodka aus Eimern und bis spät in die Nacht russsiche Brachial-Rockmusik vom DVD Player. Kein Klischee, das hier nicht bestätigt würde. Die Kellnerin mit ihren dunkelrot gemalten Lippen wird im Laufe der Fahrt zur besten Freundin. Sie freut sich besonders, wenn jemand zwischendurch die lauwarmen Schampanskoje Flaschen ordert. Der Koch gibt irgendwann einen aus ("100% Russian Cognac -best in the world"). Nur was die anderen drei Speisewagen-Angestellten eigentlich tun, bleibt bis zum Ende der Fahrt rätselhaft. |
Die Mitreisenden in der Ersten Klasse sind häuftig Vater & Sohn aus dem englischen Sprachraum, mindestens einer von beiden verwirklicht einen Kindheitstraum. In der 2.Klasse stapeln sich mongolische Schmuggler, chinesische Grossfamilien, Backpacker aus aller Welt und deren gebrauchte Socken.
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Die Dusche in den Abteilen ist kühl und rinnt. Wer immer schon mal schwankend durch Sibirien duschen wollte, ist hier dennoch gut aufgehoben - sollte aber nicht zu sehr über die Wasserqualität nachdenken. Für alle anderen sind feuchte Reinigungstücher ein Segen.
Nie wieder vergessen wird man den gellenden Hupton beim Öffnen der Duschtür.
Unbedingt ausreichend Toillettenpapier mitbringen. Im Zug wird ausschliesslich Schmirgelpapier angeboten.
Die meisten Bücher bleiben ungelesen. Am Ende steht die überraschende Erkenntnis: 6 Tage und Nächte nur im Zug und es war doch keine Sekunde langweilig.
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Praktisch ist ein Reiseführer, der über die Orte auf der anderen Seite des Abteilfensters informiert ("Das Heimatmuseum ist nicht uninteressant.") So bekommt die lange Fahrt Struktur. Das Transsib-Handbuch von Hans Engberding ist der Klassiker.
Im Zug gibt man mehr Geld aus als gedacht. Wer nicht während eines 10-Minuten-Halts in Krasnojarsk panisch den Visa-Automaten suchen will, sollte sich vorher ordentlich mit Rubeln eindecken. Andere Währungen bringen nichts, Dollars nur Wucherkurse. Kreditkarten sind nutzlos.
Wasser, Bier, Wodka und Mandarinen kann man problemlos bei jedem Halt direkt am Bahnsteig (gerne auch durchs Fenster) kaufen. |
Dazu kommen regionale Spezialitäten wie hausgemachter Rote-Beete-Salat und der grossartige Omul, der nur im Baikalsee vorkommt und noch Tage später duftend im Abteil an seine Anwesenheit erinnert.
Wichtigstes Reiseutensil ist die Zweituhr. Sonst sind Sie spätestens im Ural verloren. Im Fahrplan und auf dem Bahnsteig gilt generell und überall Moskauer Zeit. So ist es weit im Osten bereits mittags gerne mal stockfinster. Es empfiehlt sich die zweite Uhr der jeweiligen Zeitzone anzupassen, also immer auf Lokalzeit (die am Bahnhofsvorplatz angezeigt wird) umzustellen und den Tagesablauf dann daran ausrichten. So vermeidet man, nach wenigen Tagen spätabends zum Frühstück zu erscheinen und die Hälfte der Landschaft zu verschlafen. |
An der russisch mongolischen Grenze hält der Zug locker einen halben Tag. Man kann aussteigen (russische Seite) und sich in einem verlorenen sibirischen Dorf Depressionen und Zigaretten holen. Oder sitzen bleiben und plötzlich Männer mit Maschinengewehren entdecken, die auf dem Zug hocken.
Die Kontrollen selbst sind nur halb so spannend und aufreibend wie in den Reiseführern beschrieben.
Phantasieanregend ist da schon eher, dass beim russsichen Zugpersonal eine ehemalige 007-Gegenspielerin mitzufahren scheint. |
Wer die Reise zwischendrin unterbrechen will, braucht ein Spezial Ticket, das sehr viel teurer wird. Das echte Gefühl mal 6 Tage hintereinander im Zug zu sitzen, gibt es nur auf den Direktverbindungen. Die sind preiswerter, verbieten aber eben Unterbrechungen.
Aber der Zug hält ja alle 4-5 Stunden in einer dieser legendären sibirischen Abenteuer-Städte - um Kohle und Wasser nachzuladen. Genug Zeit für eine Kurztour auf den Bahnsteig. Wer Nervenkitzel liebt, schafft es auch in die Wartehalle oder auf den Bahnhofsvorplatz. Allerdings fährt die Transsib ohne Vorwarnung weiter. 15 Minuten, 20 Minuten - genau kann keiner sagen, wie lang die Stopps jeweils dauern.
Für ein paar schnelle Entdeckungen reicht die Zeit allemal - kommen Sie mit: |