Argan-Öl


Argane in Marokko - Der schwierige Schutz einer Baumart, die für viele den Lebensunterhalt sichert

KAUFEN BEI:
Coopérative Féminine Agricole d'Huile d'Argan
TIWIZI WARGAN
Centre Arbaa Sahel - Provinz Tiznit
Tel. 077.40.06.72 tiwiziwargan@yahoo.fr

----
helles Öl = cosmétique
dunkles Öl = alimentátion

Das Argan-Öl wird wegen seiner Inhaltsstoffe von Naturkosmetikherstellern und Spitzenköchen sehr geschätzt. Die Quelle des Öls, der Arganbaum, kommt nur in Marokko vor. Seit Jahren aber geht der Bestand der Wälder zurück, worunter vor allem die Frauen der Region leiden, die das Öl in Handarbeit gewinnen und damit ihr Einkommen sichern. Die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit versucht schon seit Jahren Frauen-Kooperativen für die Argan-Öl-Produktion am Leben zu halten.
Rund 20 Ziegen turnen in den Zweigen des Argan-Baums herum. Mit wahrhaft akrobatischen Verrenkungen klettern sie bis in die Krone, um an die Blätter des jungen Baums heran zu kommen. Einer, der bei diesem Anblick die Hände über dem Kopf zusammen schlägt, ist Klaus Goldnick. Seit 10 Jahren versucht der GTZ-Mitarbeiter den Menschen zu vermitteln, dass junge Bäume nur überleben, wenn ihr Stamm vor dem Abbeißen der Triebe geschützt wird. Doch noch immer schicken Hirten ihre Herden in die Bäume, weil sie selbst nicht genug Futter für die Tiere haben. Aber nicht nur dadurch wird der Natur geschadet:

"Dadurch, dass auf der einen Seite die Bevölkerung sehr stark wächst, und dass auf der anderen Seite auch die Ansprüche an die Lebenshaltung sehr stark wachsen, braucht man auch Geld. Und das heißt, um dieses Geldeinkommen zu haben, wird die Landwirtschaft intensiviert. Und das führt dann zur Ressourcenübernutzung und das führt dann in einem dritten Schritt zur Desertifikation."

Die Wüste breitet sich aus, wenn sie nicht durch natürliche Schutzwälle wie die Argan-Wälder aufgehalten wird. Wie aber überzeugt man die Menschen davon, die Bäume zu erhalten? Indem man ihnen eine Möglichkeit bietet, die Argane Gewinn bringend zu bewirtschaften - speziell den Frauen, die traditionell mit der Gewinnung des Argan-Öls betraut sind: Das sagte sich die GTZ vor 10 Jahren und verhalf einer Handvoll Frauen dazu, sich zu einer Kooperative zusammen zu schließen. Mittlerweile gibt es rund 50 solcher Zusammenschlüsse. Zum Beispiel die Kooperative El Kheir, östlich von Essaouira.

30 Frauen sitzen hier auf dem Boden des schattigen Innenhofs, eingehüllt in ihre bunten Berber-Tücher. Mit kleinen, sicheren Bewegungen knacken sie die braunen Argan-Nüsse zwischen zwei Steinen auf. Heraus kommt eine weiß-gelbliche Mandel.

Eine alte Frau dreht unermüdlich an einer topfgroßen Steinmühle, füllt Argan-Mandeln und ein wenig Wasser hinein. Unten fließt ein brauner Brei heraus, in einen Eimer. Jetzt muss sich nur noch das Öl absetzen. Für einen Liter müssen 30 Kilo Früchte verarbeitet werden. Das ist 4 bis 6 Mal mehr als für einen Liter Olivenöl. Ein Aufwand, der seinen Preis hat: ein Liter Argan-Öl kostet rund 40 Euro. Geld, das als Lohn direkt an die Frauen geht. Im Gegensatz zu früher, als es noch keine Kooperativen gab, und die Männer das Geld eingesteckt haben. Sagt Saida Tasadia, die Präsidentin der Kooperative:

"Für die Frauen bedeutet die Arbeit in der Kooperative eine wirkliche Verbesserung ihrer Situation. Die Frauen sind jetzt unabhängig. Sie haben Geld in der Tasche. Sie können leben, wie sie wollen. Sie können ihre Kinder hier auf die Schule schicken."

Allerdings: Höchstens ein Drittel aller Argan-Früchte geht an die Frauenkooperativen, den größten Teil ergattern private Zwischenhändler und verkaufen ihn zu Niedrigpreisen an internationale Händler - ein Handel, gegen den nun die EU ansteuern will. Indem sie die Frauenkooperativen unterstützt. Mit insgesamt 3,5 Millionen Euro, von denen sich die Frauen Maschinen anschaffen können, um ihre Arbeit zu erleichtern. Oder von denen sie ein bisschen Werbung finanzieren können, um neue Märkte zu erschließen. Die Deutsche Elke Böhnert betreut das EU-Projekt:

"Das Ziel ist ja, den Mehrwert hier zu behalten - vor allen Dingen in der Zone der Arganeraie. Und dass die ländliche Bevölkerung auch einen Großteil für ihre eigene Entwicklung behalten kann. Und das kann man ja auch damit bewirken, dass man hier ökonomische Nischen schafft, in denen Arbeitsplätze geschaffen werden."

Ab dem Herbst sollen die Mittel fließen. Dann wird auch die GTZ ihren nächsten Schritt tun und zusammen mit einigen Dörfern die Wiederaufforstung von Argan-Bäumen starten. Jetzt aber brauchen die Frauen von El Kheir erst mal eine Pause. Eine musikalische Pause. Um den Rhythmus der alltäglichen Arbeit ein wenig zu unterbrechen.

Esther Körfgen, Deutschlandradio 2006

Das Gold das in den Bäumen hängt - Erfahrungsbericht eines deutschen Entwicklungshelfers

Unser erster Kontakt mit dem Baum Argania spinosa stammt aus den beginnenden 70igern. Damals rechneten wir ihn zu den Wildarten der Olive mit der Abartigkeit beim Abreifen der Früchte nicht schwarz, sondern gelb zu werden. Heute sind wir nun im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland seit zwei Jahren in der Arganenregion, sprich Arganeraie, um die marokkanische Regierung zu unterstützen Wege zu finden den Baum und sein Nutzungssystem so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen auch noch künftigen Generationen zur Verfügung stellen kann.
Wir, das heisst meine Frau Hannelore, unser Hund Jessika und ich, Frank K. F. Hayer, Entwicklungsexperte der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) seit 1967, wurden in die Touristenstadt Agadir; den Mittelpunkt der Arganeraie entsandt, um der regionalen Forstbehörde tatkräftig unter die Arme zu greifen bei der Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe.
Der Arganenbaum, Arganier oder auch Ziegenbaum genannt, hat sein natürliches Verbreitungsgebiet zwischen Safi im Norden; Gouelmime im Süden und dem Dir - Übergangstelle des Hohen Atlas in den Antiatlas - im Osten von Südwest-Marokko. Vereinzelte Baumgruppen gibt es noch in einem Talkessel bei Romani und in der Region Oujda. Alle Bestände zusammen ergeben ca. eine Million Hektar dieses endemischen Baumes der Familie der Sapotacea der ein Überbleibsel aus dem Tertiär ist. Das genaue Alter der heute noch lebenden Bäume ist nicht bekannt, wird aber auf 150 bis 250 Jahre geschätzt, wobei es jedoch auch Bäume gibt die wesentlich älter (mehrere hundert Jahre) sind. Da sich die Region in der Übergangszone von semi-arid über arid bis hin zur Sahara ausbreitet, geht die Baumdichte dieser Baumsavannenlandschaft von 250 Bäumen pro Hektar im Norden bis zu 50 und weniger im Süden.
Das typische Erscheinungsbild ist ein relativ kurzer kräftiger meist gedrehter Stamm mit einer sich stark verzweigenden mächtigen Krone. Auf dem jüngsten Holz befinden sich, je nach Jahreszeit - oder besser gesagt - nach Niederschlagsgeschehen, unscheinbare Blüten und verschiedene Reifestadien von Früchten. In ganz seltenen Fällen kann der Baum bis zu drei Generationen Blüten und Früchte zur gleichen Zeit tragen, da das Ausreifen der Früchte über ein Jahr dauert und der Baum immer dann wieder erblüht, wenn eine Niederschlagsmenge von ca. 50 mm überschritten wird. Dadurch wird auch seine Altersbestimmung erschwert, da die Jahresringbildung, die sehr eng ist, von den Regenereignissen abhängt.
Genutzt werden können von dem Baum:
- das Holz. Als Brennholz, zur Holzkohleherstellung - dafür ist es besonders beliebt aufgrund seiner Härte und hohen Dichte - , als Bauholz für Deckenbalken in Häusern und Stallungen, als Werkzeugholz in der Landwirtschaft zur Herstellung von Pflügen, Schaufeln und Hacken; die feineren Äste mit ihren Stacheln dienen als Zaunmaterial (Zriba). Als Möbel und Skulpturenholz findet es, wahrscheinlich bedingt durch seine Härte (Eisenholz), bis heute keine Verwendung.
- die Blätter und jüngste Triebe. Alles herabfallende Laub wird von den Schafen und Ziegen gefressen. Ziegen klettern aber auch in die Bäume, wenn am Boden keine Nahrung mehr zu finden ist und knabbern die noch nicht verholzten Triebe und grünen Blätter ab. Und die Kamele bedienen sich dank ihrer Grösse direkt vom Baum.
- die Früchte. Sie werden von den Kamelen direkt vom Baum gefressen, wogegen die Ziegen in die äussersten Spitzen der Bäume klettern müssen, um sie zu erreichen. Die Haupterntezeit ist zwischen Juli und September, wenn die Früchte den Baum goldgelb überziehen. Dann ist die Arganeraie zur Beweidung gesperrt, und die Bevölkerung kann die Früchte aufsammeln und einlagern. Ausserhalb dieser Zeit werden die auf dem Boden liegenden Früchte von den Tieren direkt aufgefressen. Dabei ist nur das Fruchtfleisch verdaubar, sodass die geschlossenen Nüsse mit dem Kot zusammen wieder ausgeschieden werden. Einige Dörfer verwerten diese Nüssen zur Arganenöl-Gewinnung. In den meisten Fällen werden jedoch die ganzen eingelagerten Früchte zur Ölgewinnung genommen ohne sie vorher den Ziegen zu verfüttern.
Die Nüsse enthalten ein bis fünf; im Durchschnitt zwei bis drei Kerne aus denen ein hochwertiges Öl gepresst werden kann, das der menschlichen Ernährung dient, aber seit altersher auch in der traditionellen Haut- und Haarpflege und als Medikament und Wundpflegemittel grosse Bedeutung bei den Berbern hat.
Unter den Bäumen findet man in Dorfnähe Getreideanbau - vorwiegend Gerste - zur Ernährungssicherung der Menschen und in seltensten Fällen auch der Tiere. Im Anti-Atlas wurden dazu schmalste Terrassen bis zu den Berggipfeln angelegt und bewirtschaftet. Durch die Abwanderung der arbeitsfähigen Männer können diese von den zurückgebliebenen Frauen aber nur noch teilweise bearbeitet werden und zerfallen deshalb. In den Tallagen - Souss Massa - und immer dort, wo kleinste Mengen Wasser zur Bewässerung auftreten, werden intensiv Gemüsekulturen angebaut, denen der Baum weichen muss.
Somit hat der Baum und sein Nutzungssystem Arganeraie die Funktion, praktisch die einzige Einkommensquelle und Lebensraum der autochtonen Bevölkerung zu sein. Gleichzeitig erfüllt er aber auch die Funktion des Schutzwaldes als Barriere gegen die Sahara wobei er Trockenzeiten wie z.B.1981 bis1984 und 1991 bis 1995 und hohe Temperaturen > 50º C durch Einschränkung seines Wachstums und Nichtfruchtung toleriert, um mit den ersten Regen wieder aus seiner Scheinruhe durch Begrünung und Blüte zu erwachen. Sein einzigartiges, sehr tief gehendes, aber auch sich horizontal ausbreitendes Wurzelsystem ermöglicht ihm, einerseits kleinste Wasserspeicher – Kluftwasser – zu nutzen, da er aber auch entlang dieses Wurzelsystems die meist heftigen Tropenregen dem Untergrund zuführen kann und somit auch die Funktion des Wasserspeichers erfüllt. Im Schatten seiner Krone wachsen eine Vielzahl von Pflanzen, die es den Schafen erlaubt, ganzjährig Futter zu finden, sowie den Bienen ermöglicht, Sortenhonig zu sammeln – Thymian, Lavendel, Diestel und Wildblüte. Die Bevölkerung erwirtschaftet durch das Sammeln von Aroma und Heilpflanzen zusätzliche Einkommen.
Dass sich um einen solchen Multifunktionsbaum Mythen entwickeln, ist verständlich, vor allem auch, da er aus der Sicht der Menschen schon immer da war. Viele dieser Mythen stammen aus einer vorislamisch animistischen Zeit, die eine Vielzahl bekannter Mystiker hervorbrachte, die in die praktische Ausübung des Islam integriert wurden. Im allgemeinen werden von der Bevölkerung Solitärbäume, jeder Stamm oder Grossfamilie hat seinen Baum, heilende, schützende, fruchtbarkeitsfördernde und viele andere Wirkungen zugesprochen. Als ein Beispiel mag der Schutz der Ernte am Ende der Erntezeit gelten - in der Berbersprache « Isisel » genannt-. Hierzu werden 5 Schneckenhäuser mit Arganenöl, Butter, Mehl, Hefe und Milch gefüllt, auf eine getöpferte Platte gelegt und mit Kuhmist abgedeckt. In einer Prozession, bestehend aus Familienmitgliedern und Erntehelfern wird diese Gabe um das Haus und zum Mythenbaum « Tigammi ughmmat » getragen, unter dem Absingen von Reimen zum Schutz gegen Ratten, Spatzen und alles Böse. Dann werden die Gaben von den Familienmitgliedern zum Baum hingeworfen und fluchtartig wird das Gebiet um den Baum herum verlassen.
Trotz dieser, für die autochtone Bevölkerung, lebenswichtigen realen wie mystischen Grundlage ist der Baum und sein Nutzungssystem von irreversiblen Schädigungen bedroht. Man findet heute keinen aus dem Samen gezogenen Jungbaum; die bestehenden Baumbestände überaltern und sterben teilweise ab; durch die Übernutzung der Bäume und der Unterholzvegetation durch Beweidung und Ackerbau werden die Bäume skelettiert und die einst reichhaltige Unterholzvegetation mit über 300 Pflanzenarten verarmt auf einig wenige besonders strapazierfähige aber auch vom Futterwert uninteressante Pflanzen. Die Folgen sind eine fortschreitende Wind und Wassererosion der besten Böden in den Berg- und Hanglagen; eine Desertifizierung der Tallagen durch Bildung von Inlandsdünen; eine Verarmung der Tier- und Pflanzenarten, die nicht mehr ihr "Habitat" finden; eine Verschlechterung des Wasserhaushaltes der Region durch die fehlende Infiltrations- und Wasserrückhaltefunktion des Waldes; und damit eine Abnahme der Ertragsleistung der teuren Agrarinvestitionen im Souss und Massa-Tal.
Diese Übernutzung des Naturhaushaltes wird hervorgerufen durch viele sich überlagernde Faktoren, die scheinbar, bis zum Ende des letzten Jahrhunderts (seit dieser Zeit gibt es keine Jungbäume mehr) im Gleichgewicht mit der Reproduktionsleistung der Natur standen. Betrachtet man die Einwohnerzahlen Marokkos um die Jahrhundertwende mit knapp 10 Millionen Einwohnern und vergleicht diese mit den Zahlen von heute mit fast 28 Millionen, so liegt hierin wohl das grösste Problem. Und da Marokko auch heute noch ein Agrarstaat ist mit knapp 50 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, ist eine abnehmende Ausbeutung der Natur noch nicht in Sicht.
Wer zehrt nun alles an der Arganeraie? Da sind zu allererst die Bauern mit ihren Nutzungsrechten im Argananwald zu nennen. Die marokkanische Regierung hat dieses Problem schon sehr früh erkannt und hat den Stammesbesitz der Berberstämme um die Jahrhundertwende unter Staatseigentum gelegt. 1925 wurde dann ein Nutzungsgesetz eigens für den Arganenwald eingeführt, das die Nutzung für die im und am Wald lebenden Bevölkerung regelt. Danach haben die Bewohner vererbbare Nutzungsrechte zur Beweidung der Wälder, zum Ackerbau, zur Holzentnahme als Brenn- und Bauholz, zur Ernte der Füchte und zur Entnahme von Sand, Boden, Steinen, Kalk und anderen Baumaterialien.
Dazu zählen, als zweites, auch die aus dem Süden und Osten kommenden Nomaden, die mit ihren z.T. riesigen Herden auf der Suche nach Futter durch das Land ziehen. Verstärkt hat sich diese Übernutzung durch den Anschluss der Westsahara an Marokko und damit der freie Übergang über die ehemalige Grenze des spanischen Rio d'Oro Gebiet. Herden in einer Grössenordnung von über tausend Kamelen und mehreren tausend Schafen und Ziegen sind keine Seltenheit. Wo diese Herden durchziehen bleibt für die Tiere der Dorfbewohner nichts mehr übrig, was in der Vergangenheit zu blutigen Auseinandersetzungen unter den beiden Gruppen, sesshafte Bauern und Nomaden, führte. Dabei sehen sich die Nomaden in ihrem Recht, auch wenn sie im Arganeraiegesetz nicht berücksichtigt sind, weil sie als Nomadengeborene dieses Recht von Allah erhielten. Dass sich dabei auch Personen dieses Recht aneignen, die zu keiner der beiden Gruppen gehören, das sind in der Regel wohlhabende Militärs und Polizei, verstärkt diesen Degradationsprozess, vor allem in den letzten Jahren.
Die dritte daran zehrende Gruppe sind die Förster, die auf Druck der Gemeinden grossflächige Holzeinschläge tätigen, um den Ertrag der Gemeindekasse zufliessen zu lassen. Diese sollte allerdings 20% dieses Betrages wieder in den Wald reinvestieren, was aber in der Regel nicht geschieht. Dass dabei, ab und an, auch zusätzliches Holz eingeschlagen wird, dessen Ertrag direkt den Weg in die Tasche des Försters findet, ist nicht auszuschliessen.
Eine weitere Interessengruppe sind die Städte, Gemeinden, das Militär und das Bauministerium auf der Suche nach Bauland und Land für materielle Infrastrukturen. Hierbei werden ganze Flächen unwiederbringlich abgeholzt und anderen Verwendungen zugeführt - wie z.B. der Flughafenbau in Agadir mit über 400 Hektar, die kontinuierliche Ausdehnung der Städte und Gemeinden mit mehreren hundert Hektaren pro Jahr, aber auch der Strassenbau und die Verbreiterung bestehender Strassen oder die Anlage neuer zehrt am Arganenwald.
Welche Chancen bestehen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, und was kann das von der Deutschen Bundesregierung geförderte Projekt dazu beitragen? Die zwei Trockenperioden der letzten 20 Jahre haben in der gesammten Bevölkerung zu einem Problembewusstsein geführt, das hoffen lässt, mit einer Vielzahl von Massnahmen diesen in der Welt einzigartigen Baum und sein in der Welt ebenfalls einzigartige Nutzungssystem nachhaltig zu bewirtschaften. Die dazu notwendigen Innovationen müssen erforscht, mit der Zielgruppe getestet und in einem partizipativen Verfahren zwischen Bevölkerung, Nichtregierungs-Organisationen und der staatlichen Verwaltung breitflächig umgesetzt werden.
In einer derzeit laufenden Projektphase werden deshalb folgende Ziele verfolgt: Die Region erhält einen Sonderstatus, der es den Regierenden ermöglicht, ohne langwierige gesetzliche Prozesse notwendige Massnahmen durchzuführen. Dieser Status ist die weltweite Anerkennung der Region als "Biosphärenreservat Arganeraie", eine im Rahmen des Programms der "Mensch und die Biosphäre (MAB)" von der UNESCO ins Leben gerufenen Organisation, die durch eine weltweite Vernetzung von Biosphärereservaten Beispiele zur nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen dieser Welt geben will. Dabei geht es nicht um den Ausschluss von Regionen aus der menschlichen Sphäre, wie das bei Naturschutzzonen der Fall ist, sondern der Mensch muss Wege finden zu einem mit der Natur in Einklang stehenden Handeln. Dies wird die Aufgabe des Biosphärenreservates Arganeraie sein. In Zusammenarbeit zwischen der Forstbehörde, den Bevölkerungsrepräsentanten, der nationalen MAB-Organisation, den regionalen Forschungsinstitutionen, den regionalen und überregionalen NGO und dem Projekt wird ein Rahmenplan "Biosphärenreservat Arganeraie" erarbeitet, der nach Fertigstellung als Leitfaden bis zum Jahre 2010 die Regionalregierung bei ihren Entscheidungen unterstützen soll.
Während dieser ersten Projektphase werden aber auch in sog. Testdörfern mit der Bevölkerung zusammen Innovationen getestet, die einerseits zusätzliche und /oder alternative Einkommensmöglichkeiten erschliessen, in gemeinsamen Aktionen die "conditions de vie" verbessern, unter gleichzeitiger Verbesserung der Regenerationsfähigkeit des Baumes und seines Nutzungssystemes.
Erste Ansätze dazu sind die Herstellung biologisch reiner Agrarprodukte, die auf dem Markt einen höheren Gewinn erzielen, z.B. reines unvermischtes Arganenöl, reiner Sortenhonig, Jungmast-Zicklein, Getreide u.a.m.. Zur Reduzierung des Holzverbrauches finden verbesserte Backöfen und Herde Einsatz sowie Ersatzbrennstoffe und erneuerbare Energien. Zur Reduzierung des flächenmässigen Holzeinschlages werden nur noch Sanierungsschnitte getätigt, durchgeführt von der autochtonen Bevölkerung, die auch dann eine überwachte Aufforstung erlauben. Die Reduzierung der Tierzahlen, vor allem Ziegen, zugunsten einer gezielten Produktion in Fleisch und Milch, die zu monetären Einkommen führen. Der Einführung eines lokalen Softtourismus für Bevölkerungsschichten mit niedrigen Einkommen durch Ausbau von einfachen Gästezimmern in den Dörfern. Aber auch durch mehr Transparenz des Bodenrechts und der Ausübung des Nutzungsrechts. Die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung im Rahmen der Familienplanung spielen dabei eine eben so wichtige Rolle wie die Verbesserung der Schulbildung und der Erwachsenen-Alphabetisierung. Mit zunehmender Industrialisierung Marokkos wird auch der Bevölkerungsdruck in den Dörfern der Arganeraie abnehmen, der es dann den Zurückbleibenden erleichtert, dort ihr Auskommen zu finden.
Um diese Veränderungen auch gezielt planen, durchführen und beobachtend begleiten zu können, wurde ein ökologisches Umwelt-Observatorium eingerichtet und das Personal ausgebildet. In einem langfristigen Prozess werden die Verwaltungsinstitutionen auf eine partizipative Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vorbereitet, um das abnehmende Engagement des Staates am Entwicklungsprozess durch eine höhere regionale Beteiligung der Bevölkerung aufzufangen. Da begleitende Forschung unumgänglich ist zur Einleitung solcher Prozesse, wurde ein "Arganeraie Forschungsforum" unter der Beteiligung der regionalen Forschungsinstitutionen eingerichtet, das die Aufgabe hat, prioritäre entwicklungsrelevante Forschungsarbeiten zu identifizieren, deren Finanzierung sicherzustellen und ihr wissenschaftliches Niveau zu sichern. Hierzu werden für Fragestellungen, die nicht durch die regionalen Forscher erarbeitet werden können, Partnerschaften mit nationalen und internationalen Universitäten und Forschungsinstitutionen eingegangen.
Wichtig ist nun, dass die internationale Völkergemeinschaft dieses einzigartige Weltgut "Argania spinosa" und sein Nutzungssystem als kulturelle Ausprägung des Menschen in seiner Umwelt, die "Arganeraie", anerkennt und gebührend unterstützt zu seiner Erhaltung und nachhaltigen Nutzung.

Frank K.F. HAYER - gtz

Infos und Bezugsquellen: www.arganenoel.com
myplaces